Schlank bleiben trotz genetischer Veranlagung zu Übergewicht


Übergewichtige sollten auch bei ungünstiger genetischer Veranlagung versuchen, die Schuld nicht nur den Genen zuzuschieben. Schnell kann man sich dadurch in eine Ausrede flüchten.

Zwar ist es erwiesen, dass ein Kind von dicken Eltern ein höheres Risiko hat, auch übergewichtig zu werden. Doch im Wesentlichen beeinflussen die Essgewohnheiten und der Lebensstil das Körpergewicht. Erbliche Anlagen für Übergewicht können in den meisten Fällen durch einen gesunden Lebensstil, ausreichend Bewegung und eine gute Ernährung ausgeglichen werden.

Schon als Kind dick – genetische Veranlagung und Übergewicht


In den meisten Fällen spielen bei übergewichtigen Kindern die Erziehung und die Ernährungsgewohnheiten der Eltern eine bedeutende Rolle. Kinder sollten nie gezwungen werden, ihr Essen aufzuessen, da jedes Kind noch über ein natürliches Sättigungsgefühl verfügt. Zudem sollten Süßigkeiten nicht als Trostpflaster oder Belohnung von den Eltern eingesetzt werden.

Um Übergewicht bei Kindern von dicken Eltern zu vermeiden, sollten möglichst früh Bewegung und Sport ein fester Teil des Alltagslebens des Kindes werden. Ideal ist es, wenn sich auch die Eltern aktiv daran beteiligen. Sie können aber in jedem Fall ihr Kind motivieren, an sportlichen Angeboten teilzunehmen und es in diese Richtung fördern.

Die Rolle der genetischen Veranlagung


Die Energieaufnahme durch Essen ist ein hochkomplexer Vorgang, an dem viele Stoffwechselvorgänge beteiligt sind. Unterschiedliche Hormone, Enzyme und Botenstoffe spielen dabei eine wichtige Rolle. Diese werden wiederum von Genen bestimmt, die von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein können (genetische Variabilität). Diese Variabilität entstand überwiegend zufällig oder historisch bedingt durch Völkerwanderungen und Migration.

Dabei ist das Erbgut des Menschen – egal ob verwandt oder aus unterschiedlichen Populationen – zu 99,9 Prozent identisch. Da erscheint die Vorstellung schwierig, dass die genetische Veranlagung der Hauptgrund für Übergewicht sein soll. Falsches Essverhalten mit einer übermäßigen Energiezufuhr wird daher als hauptsächliche Ursache für Übergewicht angesehen. Auch das soziale Umfeld und die Bildung sind bedeutsame Faktoren.

Um den Einfluss der Gene auf Übergewicht und Adipositas abschätzen zu können, wurden zahlreiche Studien an Zwillingen durchgeführt. Trotz ähnlicher Lebensumstände scheint die genetische Veranlagung für die Gewichtszunahme bei 60 bis 70 Prozent der Teilnehmer eine bedeutende Rolle zu spielen. Auch für das Auftreten von Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes wird ein deutlicher Zusammenhang mit der genetischen Veranlagung vermutet1.

Welche Gene spielen eine Rolle bei der Entwicklung von Übergewicht?


Nachdem gezeigt wurde, dass ein Zusammenhang zwischen der Erbsubstanz und dem Gewicht besteht, konnten bestimmte Gene identifiziert werden, die mit Adipositas in Verbindung stehen. Dabei existiert kein einzelnes "Dickmacher-Gen", sondern es handelt sich um Gruppen von Genen und deren Produkte (Proteine). Das bisher bekannteste Genprodukt ist Leptin, das in den Fettzellen gebildet und freigesetzt wird. Es wurde bereits in zahlreichen Studien untersucht.

Leptin – das hoffnungsvolle Abnehmhormon?

Bei Leptin handelt es sich um ein Hormon, das von Fettzellen ausgeschüttet wird. In der Erbsubstanz (DNA) wird Leptin durch das "obese" Gen kodiert (im englischen bedeutet obesity Fettleibigkeit). Mäuse, denen das obese Gen – und damit Leptin – fehlt, leiden unter starker Adipositas. Bandelt man die Tiere mit Leptin, kann eine drastische Gewichtsabnahme beobachtet werden. Die Mäuse fressen weniger und haben einen höheren Energieumsatz. Diese Forschungsergebnisse wurden mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, seitdem gilt Leptin als Abnehmhormon.

Doch diese eindeutigen Ergebnisse in den Mausstudien konnten nicht auf den Menschen übertragen werden. Im Gegenteil, viele stark übergewichtige Personen haben einen hohen Leptin-Gehalt im Blut. Bei ihnen sind Zellen im Gehirn resistent gegen die Wirkung von Leptin:  Leptin bindet an "Andockstellen" (sogenannte Leptinrezeptoren) an speziellen Zellen im Gehirn, welche eine wichtige Rolle bei der Kontrolle der Nahrungsaufnahme spielen. Die Zellen melden dem appetitregelnden Zentrum im Gehirn, wenn die Fettspeicher gefüllt sind und die Nahrungsaufnahme eingestellt werden soll. Wenn die Rezeptoren jedoch nicht richtig funktionieren, kann dies erhebliche Auswirkungen auf das Gewicht haben. Leptin kann seine Wirkung nicht entfalten und ein Sättigungsgefühl wird nicht mehr wahrgenommen.

Interessant:  Leptin wird eine Relevanz bei der Behandlung des Diabetes-Typ-1 zugeschrieben2. In klinischen Studien wird diese Vermutung weiter untersucht.

Fazit: Hilft Leptin beim Abnehmen?

Leptin ist eher die Ursache für Übergewicht, aber nicht die Behandlung. Da vor allem die Leptin-Resistenz der Gehirnzellen zu Übergewicht führt, hilft es nichts, zusätzliches Leptin einzunehmen. Eine bewusste Ernährung und viel Bewegung sind nach wie vor die besten Maßnahmen, dem Übergewicht entgegenzuwirken.

Der Tumornekrosefaktor – Einfluss auf das Gewicht

Der sogenannte Tumornekrosefaktor (TNF-α) ist ein körpereigener Botenstoff, der eine bedeutende Rolle im Immunsystem spielt. Dringen Krankheitserreger in den Körper ein, wird TNF-α ausgeschüttet und eine Entzündungsreaktion in Gang gesetzt, welche die Keime bekämpft.

Der Botenstoff wird auch im Fettgewebe gebildet. So weisen die Fettzellen von übergewichtigen Personen einen höheren Anteil dieses Botenstoffes auf, als die von Normalgewichtigen. TNF-α bindet an sogenannte Insulinrezeptoren und blockiert deren Funktion (Insulinresistenz). Dies ist jedoch problematisch. Das Hormon Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse gebildet und bewirkt, dass der Blutzucker aus dem Blut in die Körperzellen aufgenommen werden kann. Bei einer Resistenz sprechen die Körperzellen immer weniger auf Insulin an und werden schließlich unempfindlich gegen die Wirkung des Hormons. Der Zucker verbleibt im Blut, was zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel führt, und wird im Fettgewebe in Fett umgewandelt. Ein Teufelskreis entsteht: Je mehr Fett, desto mehr TNF-α-Produktion, umso mehr blockierte Insulinrezeptoren – Übergewicht entsteht.

Fazit: Studien über die Ursachen von Übergewicht durch genetische Veranlagung werden zukünftig weitere interessante Ergebnisse hervorbringen. Ob tatsächlich eines Tages das "Wundermittel" gegen die genetische Veranlagung zu Übergewicht gefunden wird, bleibt fraglich. Betroffene sollten daher besser auf die bekanntere und wirksamere Maßnahme zurückgreifen: Mehr Energie zu verbrennen als aufzunehmen.

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