Übergewicht: Vorurteile ziehen oft psychische Folgen nach sich


Stigmatisierung, Ausgrenzung und verbale Attacken gehen an kaum einem Übergewichtigen spurlos vorbei – und sind leider an der Tagesordnung. Noch immer eilt dicken Menschen der falsche Ruf voraus, sie seien undiszipliniert, faul und weniger leistungsstark. Selbst in der Berufswelt macht die Diskriminierung aufgrund von Übergewicht nicht halt.

Die Summe all dieser Faktoren schädigt das Selbstvertrauen von dicken Menschen und trägt so zu psychischen Folgen von Übergewicht bei. Viele ziehen sich aus dem Alltag zurück, vermeiden es, ihre Freizeit draußen zu verbringen oder in Gesellschaft normalgewichtiger Menschen zu sein. Sie fühlen sich nicht selten unattraktiv und wertlos. Gedanken wie diese können schließlich zu Depressionen führen.

Übergewicht und Depression: Diäten sind keine Lösung


Wenngleich eine Gewichtsreduktion grundsätzlich gesundheitsfördernd ist, zur gezielten Linderung der psychischen Folgen von Übergewicht ist sie nicht geeignet. Auch gute Worte und Ermunterungen seitens Normalgewichtiger, dass der Betroffene abnehmen kann, sind fehl am Platz. Zu groß ist die Gefahr, dass Übergewichtige die Schuld an ihrer Situation vermehrt sich selbst geben. Das kann eine bestehende Essstörung oder Depression noch verschlimmern.

Viel wichtiger als die Gewichtsreduktion ist zunächst eine Psychotherapie, in der die Depression behandelt und das Selbstbewusstsein des Übergewichtigen gestärkt wird. Er oder sie muss lernen, nicht mehr von der Meinung anderer abhängig zu sein und ein gesundes Körperbild zu erlangen. Erst wenn in diesem Bereich die ersten Schritte erfolgreich verlaufen sind, kann über eine Gewichtsabnahme nachgedacht werden. Die Behandlung der Psyche hat bei Übergewicht also immer Vorrang.

Depression und Übergewicht: Ein Kreislauf?


Ebenso wie Übergewicht eine Depression auslösen kann, kann Depression auch Übergewicht erzeugen. Inzwischen ist bekannt, dass der Mangel am Neurotransmitter und "Wohlfühlhormon" Serotonin verantwortlich für Depressionen sein kann. Diverse organische Erkrankungen oder Stoffwechselerkrankungen sind Ursache für den Serotoninmangel. Ein solcher Mangel führt wiederum zu einer schlechten Stimmung. Die Folge: Menschen mit Serotoninmangel greifen vermehrt zu süßen Lebensmitteln, frei nach dem Motto: "Schokolade macht glücklich". Damit wird Übergewicht natürlicherweise begünstigt.

Der Appetit kann bei einer schon bestehenden Depression ebenfalls gestört sein und sowohl ab- als auch zunehmen. All dies macht es nicht unerheblich, möglichst abzuklären, was zuerst da war: das Übergewicht oder die Depression.

Serotoninhaltige Lebensmittel: Eine gesunde Auswahl


Besteht eine depressive Verstimmung, kann man versuchen, diese Phase durch serotoninhaltige Lebensmittel zu verkürzen. Zu den serotoninhaltigen und gesunden Lebensmitteln gehören:

  • Nüsse wie Cashewkerne und Paranüsse enthalten zwar nicht direkt große Mengen an Serotonin, dafür aber die Aminosäure Tryptophan. Diese sorgt dafür, dass mehr Serotonin im Gehirn hergestellt wird.
  • Reich an Tryptophan sind Quark, Käse und verschiedene Getreide, beispielsweise Dinkel.
  • Exotisches Obst wie Bananen, Feigen, Papaya und Avocado enthalten Serotonin. Auch wenn diese Früchte sehr kalorisch sind: die Psyche hat bei Übergewicht Vorrang. Vor allem dann, wenn eine Depression besteht.
  • Rohkost stellt dem Körper ebenfalls mehr Tryptophan zur Verfügung, das anschließend in die Serotoninproduktion investiert werden kann.

Wer unter Serotoninmangel leidet, zum Beispiel aufgrund einer Depression, der sollte zudem Stress vermeiden. Dieser verhindert die Produktion von Serotonin und ist die häufigste Ursache für den Mangel an diesem wichtigen Botenstoff.

Was tun gegen psychische Folgen von Übergewicht?


Menschen mit Übergewicht, die unter einer Depression oder einer anderen psychischen Folge der Gewichtsprobleme leiden, sollten diese grundsätzlich in den Vordergrund stellen und sich auf deren Behandlung konzentrieren. Eine gleichzeitige Ernährungsumstellung hin zu gesunder und vor allem serotoninreicher Ernährung (überwiegend bestehend aus Rohkost) ist zwar sinnvoll, sollte jedoch nur dann geschehen, wenn sie nicht in zusätzlichen Stress ausartet. Wenn möglich, kann die Psychotherapie durch eine Ernährungstherapie ergänzt werden.

Wichtig ist zudem, alternative Verhaltensweisen zur Bekämpfung von Stimmungstiefs als psychische Folge von Übergewicht zu finden. Der Griff zur Schokolade ist nicht ideal. Alternativen können zum Beispiel

  • Bewegung,
  • kreative Beschäftigung oder
  • die Zubereitung einer gesunden Mahlzeit gemeinsam mit Freunden oder der Familie sein.

Körper und Geist sollten stets gleichermaßen beteiligt sein.

Tipp

Auch wenn es schwer fällt, sollten Sie versuchen, sich so wenig wie möglich abzugrenzen. Haben Sie sich einmal in Ihr Schneckenhaus zurückgezogen, ist es oft schwer, wieder Anschluss zu finden.

Was Freunde und Angehörige tun können


Hier gilt es vor allem, Betroffenen eine gute Stütze zu sein. Vorwürfe oder das Drängen zu bestimmten Tätigkeiten helfen nur selten weiter. Oft können depressive Menschen darauf gar nicht reagieren, weil die Krankheit sie daran hindert. Und auch wenn Übergewicht und seine psychischen Folgen vielleicht für den Betroffenen ein wichtiges Thema sind: für die Angehörigen sollte es nicht zum Dreh- und Angelpunkt werden. Es gilt, andere Themen im Gespräch zu finden. Möchte der Angehörige jedoch von sich aus sprechen, ist es ratsam, zuzuhören.

Generell sollte jeder normalgewichtige Mensch dazu beitragen, die Stigmatisierung von Übergewichtigen zu reduzieren. Die Entstehung von Übergewicht kann so viele verschiedene Ursachen haben, dass falsche Ernährung oder Bequemlichkeit als alleinige Erklärungen deutlich zu kurz greifen.

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